Judenbad

Nachdem „Mordge“, „Affrom“ und „Jößel“ ...

... sich 1720 im Dorf niedergelassen hatten,

Flurkartewuchs in Raibach die Zahl der Einwohner mit jüdischem Glauben auffallend schnell. Die junge Gemeinde brauchte einen Betraum, eine Schule und ein Bad. Ein altes Haus zum Beten und Lernen war bald gefunden, aber das mit dem Judenbad war nicht so einfach. Ein Haus mit Bad ist eine feste Einrichtung, etwas Bleibendes, nicht ganz billig.

Mikwe FFMAuch sollte, dem alten Gesetz folgend, „lebendiges Wasser“ das Bad füllen und durch-strömen, am besten also ein Bach oder eine Quelle. So wurde ein Grundstück in passender Lage gesucht und gefunden: direkt am Raibach! Ein zweistöckiges Haus wurde neu gebaut, „oben Behausung, unten Bad“. Der Eingang lag am „gemeinen Pfad an die Bäch“ (heute Weißdornweg 4, sogenanntes „Jäjersch Eck“).

„Mikwe“, so das hebräische Wort, bedeutet „Wasseransammlung“ und nicht „Badehaus“. Sieben Stufen führen in der Regel ins Wasser. Dafür gibt es einen ganz praktischen Grund: Bei einer Stufenhöhe von 20 cm erreicht man eine Wassertiefe von 1,40 m. Diese ist notwendig, um im Wasser ganz unterzutauchen, die Füße vom Boden zu heben und zu schweben. Immer nur eine Person, natürlich völlig unbekleidet, Kopf unter Wasser, mit ausgebreiteten Armen und offenen Haaren, das Ganze dreimal hintereinander. „Willst du rein sein, musst du ganz rein!“ lautete die Regel. Es wurde genau aufgepasst, dass das Gebot auch im eiskalten Wasser befolgt wurde.

Haus ZieresLageskizzeDie Nachfahren der Seifensiederfamilie Löw kümmerten sich etwa 170 Jahre lang um die Sauberkeit des Bades. Auch später kamen die jüdischen Frauen aus Umstadt noch immer zum „Frauenbad“ nach Raibach. Doch dann tauchten plötzlich Kratzmilben in der Mikwe auf. Das einst so saubere Bad wurde abfällig, aber zu Recht „Krätzwäsch“ genannt und fortan gemieden.

1898 verkaufte die jüdische Gemeinde das Haus. Der neue Besitzer verfüllte das Sandsteinloch, legte einen festen Boden darüber und baute dort die Küche ein. Das Judenbad geriet in Vergessenheit. Um 1960 wurde das Haus abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Die Mikwe blieb darunter.